Dienstag, 11. Juni 2013

Zombie Company - Part I

Die schwedische Tundra
Das scharfkantige Stück Blech steckte tief in ihrem Oberschenkel. Er riss das verschmutzte, gelbe Halstuch aus seinem Parker hervor und stopfte es ihr in den Mund. Er sah sie nichtssagend an, denn seine eigene Panik hätte sie nur noch mehr beunruhigt, und presste ihren Oberkörper unnachgiebig auf den kahlen Boden der schwedischen Tundra.
Um einen weiten Bogen um das vollkommen infizierte Stockholm zu machen, waren Leon und seine Begleitung Göteborg gefährlich nahe gekommen. Die vergangenen vier Tage waren sie wegen dieses Fehlers auf der Flucht. Nein, eigentlich waren sie das bereits seit Wochen. So wie auch der Rest der menschlichen Spezies...

Am 19. Juni heulten die Sirenen durch Leons Gemeinde in Norddeutschland, so wie wahrscheinlich weltweit. Es war ein heißer Tag, und hätte er nicht erkannt, dass es sich dabei um einen ABC-Alarm handelte, hätte er das laute Dröhnen wahrscheinlich genauso ignoriert wie alle anderen. Er wäre heute allein unterwegs, er hätte nicht den Vorsprung von zwei Stunden gehabt und wäre vielleicht auch schon längst einer von ihnen...

"In unseren Lieblingsfilmen ist die Zombie-Apokalypse irgendwie unterhaltsamer, findest du nicht?" fragte er und verzog dabei das Gesicht zu einem gekünstelten Grinsen. Paulina war nun einen Augenblick abgelenkt und so zog er mit aller Kraft am Blech. Ihr Schrei wurde kaum vom Halstuch gedämpft und hallte in der Einöde wider. Er presste seine freie Hand auf ihren Mund und drückte sie damit weiter runter. Sie hörte nicht auf zu schreien und er blickte sich beunruhigt um. Wenn sie gehört würden, war die gesamte Situation eine Dinnereinladung vom Feinsten. "Paul, sei still!" zischte er zwischen zusammengepressten Zähnen hindurch, während er weiter zog. Zusammen mit einem Schwall Blut löste sich das Blech aus ihrem Fleisch und er begann sofort das bereits abgebundene Bein mit alten Kleidungsstücken aus ihrem Rucksack zu verbinden. Dabei war er so gut vorbereitet gewesen....

Bist du vorbereitet?
Es war ein Sonntag, der ungünstigste Tag um die Apokalypse einzuleiten. Der Rucksack war eigentlich ein Witz-Geschenk zu seinem 20. Geburtstag gewesen. Eine Hommage an sein Nerd-Dasein. Nun war er froh, dass er ihn hatte. Verbandsmaterial, Desinfektionsmittel, Konserven, eine Machete - wer zum Teufel hatte die Machete da reingesteckt? - und alles, was ein Mann sonst zum Überleben braucht steckten darin. Er befüllte einen zweiten Rucksack mit Laptop, Kleidung, schlug im Vorbeigehen das Glas des Waffenschranks seines Großvaters ein und verstaute Schrotflinte und Sturmgewehr. Er war vorbereitet. Er hatte einen Plan und wusste, wo er hin wollte. Und er wusste, dass er nicht allein gehen durfte...

Als er ihren Oberschenkel abgebunden hatte, hörte er das gurgelnde und sabbernde Geräusch, vor dem sie sich beide fürchteten. Ihr Geschrei hatte sie beide verraten und es würde nicht lange dauern, bis sie unliebe Gesellschaft bekamen. Er erhob sich, stellte sie wortlos auf die Beine und zerrte sie weiter Richtung Norden. Sie jammerte. Natürlich, dachte er. Frauen jammern immer. Er blickte zurück während er sie weiter voran trieb und erkannte bereits die schemenhaften Gestalten am Horizont. Ohne Paulina wäre er jetzt viel weiter. Sein Proviant wäre lange nicht so knapp und er hätte sein Verbandszeug nicht für die vielen Fremden geopfert, die sie bei Kolding (Dänemark) unbedingt hatte verarzten wollen. Er war trotzdem froh nicht allein zu sein. Und er hätte niemanden lieber bei sich gehabt, als seine offizielle Zombie-Apokalypse-Partnerin Paul.

"Pack deine Sachen, Apo-Luder. Geht los! 10 Minuten" - Die SMS war eindeutig, er fürchtete trotzdem, sie würde sie nicht ernst nehmen. Aber Paulina stand tatsächlich mit gepacktem Rucksack an der Tür und wartete bereits auf ihn. "ABC-Alarm", nuschelte sie, während sie auf den Beifahrersitz seines alten Peugeot sprang. "Dauert nicht lang, bis alle anderen auch dahinter kommen." Sie sahen sich einen Augenblick an und sie lächelte leicht. "Hätte nicht gedacht, dass du dich an deine Säufer-Versprechen hältst und dich daran erinnerst, dass du mich zur Zombie-Apokalypse mitnimmst." Noch während sie sprach zog er sie zu sich heran und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen, zuckte dann mit den Schultern und drehte den Schlüssel. Bei Neumünster begann der Verkehr sich so sehr zu stauen, dass sie die nächste Ausfahrt nahmen und über Landstraßen fuhren. Bei Ellhöft, kurz vor der dänischen Grenze, war auch die Landstraße bereits so mit Flüchtlingen verstopft, dass sie eine Weile standen. Nach dreißig Minuten vernahmen sie das erste Mal das Geräusch hungriger Zombies, die sich aus der nächstgrößeren Stadt in alle Himmelsrichtungen verteilten und ihre Seuche verbreiteten. Bis dahin hatten Leon und Paulina kaum damit gerechnet, dass es sich tatsächlich um Zombies handelte...

Quelle: Nation Red
"Jetzt streng dich mal ein bisschen an!" schrie er sie nun schon zum dritten Mal an. Seine Begleitung wurde mit jedem Schritt langsamer, seine Verfolger holten mit jedem Meter auf. Er konnte sie mittlerweile zählen. Es waren 17 von ihnen. Als die Steigung des Hangs zunahm, fing Paulina an zu heulen. Er ignorierte es und zerrte sie an ihren Armen hinter sich hinauf. "Ist nicht mehr weit", keuchte er, "Hör auf zu flennen und beweg' dich endlich!" Sie riss sich von ihm frei und schrie "Lass mich doch hier!", woraufhin er ihr eine saftige Ohrfeige verpasste. Er griff sie mit der Linken am Haarschopf und zog sie hinauf, während er mit der Rechten nach der Schrotflinte griff. Die Meute war nun keine 50 Meter mehr entfernt. Er taumelte rückwärts den Hang hoch und schob sie nun hinauf, während er die Schrotflinte lud - 25 Meter. Paulina fiel, er stolperte über ihre Beine und schob sie mit aller Gewalt den letzten Meter hinauf auf die Anhöhe, wo sie einfach liegen blieb - 10 Meter. Die Meute hatte den Hang erreicht und begann das Gestein hinauf zu kriechen. Leon klappte den Lauf der Flinte um, legte an und schoss...


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