Donnerstag, 28. März 2013

Taste The Place

Verfasst am 17. März 2013

Es ist wahrscheinlich nicht einfach zu glauben, wenn man es nicht erlebt. Viele werden sagen, ich spiele die Situation runter um mein Leid zu vertuschen. Andere werden mich feiern, für das Märtyrium, das ich durchlebe. Weitere werden sagen, ich würde schlichtweg lügen:

Da ist ein Leben außerhalb des World Wide Web!
Feel free, don't be connected ;)

Und es ist erträglich. Nein, das ist Bullshit. Es ist sogar toll! Genauso toll wie mit, vielleicht sogar noch viel besser. Das muss man wohl für sich selbst entscheiden. Ich weiß es auf jeden Fall zu schätzen.

Drei Wochen lebe ich jetzt in der neuen Bude und bin medial noch immer vom Rest der Welt, was so viel bedeutet wie von Euch, abgeschnitten. Und da ich schreiben kann wann immer ich will, muss ich gestehen Euch gar nicht so sehr zu vermissen.. 'tschuldigung.
Ohne Facebook, Twitter und Co erinnert man sich schnell daran, - wenn man das Glück hatte vor... sagen wir... 2000 geboren zu sein – dass man gar nicht alle zwei Minuten wissen muss, was Freunde und Familie gerade essen, spielen, hören, witzig oder berührend finden, wo sie sind oder wer gerade bei ihnen ist.
Es ist unglaublich, wie schnell man genießen lernen kann, nicht immer und überall greifbar zu sein. Ihr macht euch kein Bild davon, wie inspirierend das sein kann!

Leider ganz schlechte Qualität: Eines meiner Besten
Nun, vielleicht klingt das ein bisschen überheblich, wenn man nicht weiß, wie ich das meine. Und ich weiß es auch nur, weil ich es schon einmal konnte.... einmal können musste.
Als ich mit meiner Mutter aus unserem Familienhaus auszog, erlebten wir unsere gemeinsam schönste Zeit überhaupt. Für mich war es die eine Zeit, und es wird immer die sein, an die ich mich mein Leben lang am liebsten erinnern werde.
Ein absolut entscheidender Faktor war damals, dass wir in ein altes Abrisshaus zogen, unter dem eine Fünfhundert-Kilo-Bombe aus dem zweiten Weltkrieg lag.*¹
Es sollte Parkplätzen weichen, doch da jede Art von Bürokratie ewig zu dauern scheint, zogen wir ganz legal in die einzig bewohnbare Wohnung in diesem Abrissaus. 

Altbau. Erstes Obergeschoss links. Zwei Zimmer, Küche, Duschbad, Balkon. Ich bekam das gute Zimmer. Das mit den Zwillingsfenstern und den Rubinien vorm Fenster. Ich strich es Blutrot, malte einen toten Baum an die Wand und kritzelte Songtexte mal hier und mal da hin. Es gab Strom und Wasser. Ein Luxus, den wir zu schätzen wussten.
Damals wussten wir so ziemlich alles zu schätzen. Wir hatten nichts, außer uns selbst und einander. Kein Internet, kein Fernsehen, keine Computer.
Klingt langweilig? Keine Spur!
Während der beiden Sommer, die auch noch superheiß waren, waren wir das Highlight der Nachbarschaft, weil wir fast immer sangen und man uns durch die offenen Fenster und Balkontüren weit hinaus hören konnte. Meine besten künstlerischen Werke, egal ob auf Papier, als Modell oder aus Stein, stammen aus dieser Zeit. Meine intensivsten zwischenmenschlichen Erlebnisse ebenfalls. Für die Freunde, die mich durch diese Zeit begleitet haben, würde und werde ich den Rest meines Lebens bis ans Ende der Welt gehen. Ich fand meine große Liebe und den Weg zum Journalismus und nach Großbritannien....

Das ganze ist fast zehn Jahre her.... Und jetzt sitze ich hier, wieder ohne Internet oder Telefon. Die Cassady den San Fransico Bay Blues. 
My favourite :D
Glotze läuft selten. Stattdessen singt Eva
Ich habe allein schon in den vergangenen drei Wochen so viele tolle Menschen kennen gelernt, neue Möglichkeiten eröffnen sich und die Krönung von allem ist die Wohnung! Ich weiß, total oldschool, aber ich muss es sagen: Alter Schwede! Meine Mum und ihr Müller waren zwei Wochenenden hier, trotz erheblicher Strapazen - an dieser Stelle nochmal gute Besserung! - und haben mit mir eine Wohlfühl-Oase erschaffen! Und wenn dieser verdammt schöne Schnee endlich schmilzt und der Frühling anbricht, – was er kalendarisch in drei Tagen tut – werde ich mich in meinen Garten stürzen und meine Terrasse auf Fordermann bringen. Der Strand ist nicht weit und ich freue mich auf einen tollen Sommer*²!

Nun, das war ein wie immer etwas ausschweifender Einblick in meine derzeitige Situation. Eva trällert mittlerweile mein Lieblingslied, Autumn Leaves, das viel besser klingt, wenn meine Mum und ich es bei 36 ° Grad im Schatten singen und dabei Weinschorle in Wickelröcken schlürfen...
Genau das werde ich jetzt auch tun, nachdem ich den Text gespeichert und den Rechner runtergefahren habe. Für den Wickelrock ist es zwar zu kalt, aber ein flauschiger Bademantel und ein gutes Buch sind genauso angenehm.

Das Buch ist übrigens von einer lieben Kollegin und wenn ich es zeitlich schaffe, erzähle ich euch beim nächsten Mal davon. Bis dahin... schaltet doch vielleicht einfach mal das Smartphone aus und kostet ein bisschen mehr Platz im Kopf. Da ist ein Leben außerhalb des World Wide Web. Und es hat so viel mehr zu bieten, als nur die ultimative Grafik.

xx

 
*²: Kommentare über einen wahrscheinlich schlechten Sommer will ich nicht lesen!