Mittwoch, 25. Juni 2014

The Future Is Now


Mir wurde gesagt, ich sei zu politisch in letzter Zeit. Und obwohl es wohl politisch bleiben wird, - ist ja schließlich ziemlich wichtig, und wenn das Netz an Verschwörungstheoretikern schon überquillt, will ich meinen Senf auch dazu geben, - richte ich mich natürlich auch immer gern nach der Leserschaft. Schließlich seid Ihr es, für die ich den ganzen Zirkus hier veranstalte…

Ich sitze grade in der lokalen Bäckerei und mache Mittagspause. Für gewöhnlich habe ich ein Buch dabei. Heute sehe ich wieder einmal wieso: Denn schaue ich einen Tisch weiter, sitzen da drei Mädels im mittleren Teenageralter, bei Kaffee und Kuchen in netter Runde – und sprechen kein Wort miteinander. Stattdessen fallen sie alle Drei fast vornüber in ihr Handy. Entschuldigt, Handy ist ja so 90er, ich meine natürlich die Smartphones.

Quelle: Lachschon.de
Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich das einmal sage, aber als wir jung waren… Das liest sich jetzt schon so übelkeiterregend, dass ich der Delete-Taste nur schwerlich die kalte Schulter zeigen kann… Aber ernsthaft jetzt: So vor zehn Jahren saßen wir auch so zusammen, doch wir lachten, weinten, und wenn schon nicht das, so haben wir auf jeden Fall kommuniziert! Und ja, Handys gab es auch „damals“ schon! 
Die einzige Interaktion der drei Damen am Tisch nebenan besteht im gellegentlichen Rumzeigen eines geposteten Bildes oder einer witzigen Nachricht. Da hört es aber dann schon auf.

Nun fällt es leicht über drei Fremde herzuziehen; sollte man sich doch erst einmal an die eigene, am Smartphone klebende Nase packen. Ich komme problemlos ohne klar, so wie wir alle sicherlich, und dennoch habe ich es immer dabei. Höre ich den Nachrichtenton, juckt es direkt in den Fingern. Habe ich einen neuen Blog gepostet, schaue ich immer wieder, wem er gefiel und wem nicht. Kommt die beste Freundin aus der Reha, werden Stunden damit verbracht, Fotos und Nachrichten auf dem Handy anzuschauen. Was dagegen hilft? Außer dem echten Interesse an seinen Mitmenschen wahrscheinlich nichts. Oder wie seht ihr das?




Wie üblich spinne ich den Faden weiter und denke an die nächsten Generationen. Diese sind dann mit den Multifunktions-Hirnfressern in der Hand groß geworden, Millionen.. ja, Milliarden werden ihrem Beispiel folgen. Nur zu gern mache ich mich über die wirklich wahre Zombie-Apokalypse, die dank Apple & Co stattfindet, lustig. Aber eigentlich stellen sich mir dabei dann doch ein paar wirklich ernst gemeinte Fragen! 

Anhand der Tatsache, dass Cybermobbing und Shitstorm in jedem Jugendvokabular vorhanden sind, Konfliktlösung und Intervention aber immer mehr zu Fremdwörtern werden, frage ich mich, ob es nicht Zeit wird, an den Schulen ein besonderes Augenmerk auf die Sozialkompetenz der nächsten Generationen zu legen. Vielleicht sogar mit entsprechendem Unterricht?
Das findet ihr witzig oder gar lächerlich? Nun, dann denkt bitte daran, dass die Smartphone-Zombies von heute, die schlauen Köpfe der Zukunft sein könnten. Was taugt ein Arbeitgeber im Jahr… sagen wir mal 2060, der nicht in der Lage ist, sich mit seinen Arbeitnehmern auseinanderzusetzen, weil sein Sozialverhalten auf Facebook, Twitter und Instagram geschult wurde? Was erreichen Politiker noch, wenn sie mehr Zeit dafür aufbringen Selfies zu schießen, als Gesetze zu verabschieden? Und wie kompetent sind künftige Arbeitnehmer tatsächlich, geben wir doch heute schon kaum Unwissenheit zu und fragen lieber ganz schnell und unbemerkt Google oder Wikipedia?

Zu weit hergeholt? Echt jetzt? 

Gut, bleiben wir im Hier und Jetzt. Ich habe nämlich noch mehr Ideen für unsere unterfinanzierten und überbesetzten Schulen: Ich verlange für die Kinder meiner Freunde Datenschutz-Unterricht! Wenn Vaddern meine Warnungen darüber missachtet, Kontodaten im Netz einzugeben, ist das seine Sache. Und wenn Opa einen virenverseuchten E-Mailanhang öffnet, eine Andere. Aber wenn die achtjährige Jacqueline ihre Klardaten bei Facebook eingibt, am besten noch mit Telefonnummer und Wohnadresse, dann schlackern mir die Ohren! Ebay, Amazon und Konsorten freuen sich über freizügig mit Daten jonglierende Jugendliche, die Handyverträge abschließen und Schuhe kaufen, die sie sich nicht leisten können. Das peinliche Partyfoto ist auch nur so lange witzig, bis der zukünftige Chef Justin-Pascal googelt. Und Chantall traut sich nicht mehr aus dem Haus, geschweige denn in die Schule, weil sie dachte, sie könne ihrem Freund trauen. Der aber hat ihr Nacktbild gleich an alle Kollegen gewhatsappt ( - heißt das so?).

Natürlich ist es Aufgabe der Eltern, ihren Kindern den verantwortungsbewussten Umgang mit ihren Klardaten zu vermitteln. Aber bald sind Chantall, Jacqueline und Justin-Pascal erwachsen und haben selbst Kinder. Werden die dann überhaupt noch in der Lage sein den verantwortungsvollen Umgang mit Daten zu vermitteln? Übernimmt das Smartphone bis dahin vielleicht schon die Kindererziehung? Wird die Schule dadurch irgendwann vielleicht gänzlich überflüssig? Wieso reden wir überhaupt noch miteinander? 

Mich würde eure Meinung zu dem Thema mal interessieren; besonders die der Mütter und Väter, aber natürlich auch die all der anderen Leserinnen und Leser. Ich habe hier jede Menge sinnige und unsinnige Fragen und Antworten in den Raum geschmissen; was davon ist eurer Meinung nach begründet? Was nicht? Vielleicht fallen euch ja sogar noch ganz sinnvolle Schulfächer ein?

Ich bin gespannt. Und bis dahin… oh, eine Textnachricht! ;)

3 Kommentare:

  1. Liebe Roxxane,
    ich finde deine Fragen gar nicht soooo übertrieben.
    Ich will aber an dieser Stelle auf einen anderen Punkt hinaus - nämlich die Über-Überwachung von Eltern:
    Ich habe im letzten Jahr ein Praktikum in einem kleinen Unternehmen gemacht, dass vor allem junge Menschen zwischen Abi und Studium anzieht. Ich - damals schon im 2. Mastersemester - gehörte somit also zu den alten Hasen. Ich habe es bis dahin immer für ein Gerücht gehalten - und für hoffnungslose Übertreibung - aber einige dieser ABITURIENT_INNEN waren sowas von unselbständig und wegen jedem sch**** wurde entweder Herr Google oder Frau Mama befragt/angerufen. Und wichtiger als die Sendung fertig schneiden - ich war bei einem Radiosender - war es, ein Foto mit dem Studiogast auf facebook zu teilen.
    Ich stand teilweise vor einem Nervenzusammenbruch. (Nicht alle meine Kolleg_innen waren so. Nicht einma, die Hälfte um ehrlich zu sein. Aber dieses paar unreifen Kinder mit lack of social competence haben mir echt etwas Angst gemacht.

    PS: ich schreibe gerade an einem ähnlichen Thema und werde dich verlinken ;)

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    1. Recht hast du! Und diese Unselbstständigkeit,.. dieses... maßlose Verantwortung an ein insgesamt überwachsbares und kontrollierbares Netzwerk abgeben, vergiftet sowohl die Sozialkompetenz, als dann auch schließlich das gesamte Familienwesen... die Gesellschaft. Ein Schritt weiter in Richtung "Forever alone" auf vollkommen unromantische Art und Weise... So zeigt sich nur einmal mehr, dass jede Geschichte ein zweischneidiges Schwert sein kann. Sie weltweite Vernetzung macht so vieles möglich, diesen Augenblich ums auf den Punkt zu bringen, und doch lässt es so viele von uns menschlich nur immer mehr voneinander wegdriften..

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  2. "Schließlich seid Ihr es, für die ich den ganzen Zirkus hier veranstalte…"
    Gloob ick Dir nich. :)

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