Verfasst am 17. März 2013
Es ist wahrscheinlich nicht einfach zu
glauben, wenn man es nicht erlebt. Viele werden sagen, ich spiele die
Situation runter um mein Leid zu vertuschen. Andere werden mich
feiern, für das Märtyrium, das ich durchlebe. Weitere werden sagen,
ich würde schlichtweg lügen:
Da ist ein Leben außerhalb des World
Wide Web!
Feel free, don't be connected ;) |
Und es ist erträglich. Nein, das ist
Bullshit. Es ist sogar toll! Genauso toll wie mit, vielleicht sogar
noch viel besser. Das muss man wohl für sich selbst entscheiden. Ich
weiß es auf jeden Fall zu schätzen.
Drei Wochen lebe ich jetzt in der neuen
Bude und bin medial noch immer vom Rest der Welt, was so viel
bedeutet wie von Euch, abgeschnitten. Und da ich schreiben
kann wann immer ich will, muss ich gestehen Euch gar nicht so sehr zu
vermissen.. 'tschuldigung.
Ohne Facebook, Twitter und Co erinnert
man sich schnell daran, - wenn man das Glück hatte vor... sagen
wir... 2000 geboren zu sein – dass man gar nicht alle zwei Minuten
wissen muss, was Freunde und Familie gerade essen, spielen, hören,
witzig oder berührend finden, wo sie sind oder wer gerade bei ihnen
ist.
Es ist unglaublich, wie schnell man
genießen lernen kann, nicht immer und überall greifbar zu sein. Ihr
macht euch kein Bild davon, wie inspirierend das sein kann!
Leider ganz schlechte Qualität: Eines meiner Besten |
Nun, vielleicht klingt das ein bisschen
überheblich, wenn man nicht weiß, wie ich das meine. Und ich weiß es auch nur, weil ich es schon
einmal konnte.... einmal können musste.
Als ich mit meiner Mutter aus unserem
Familienhaus auszog, erlebten wir unsere gemeinsam schönste Zeit
überhaupt. Für mich war es die eine Zeit, und es wird immer
die sein, an die ich mich mein Leben lang am liebsten erinnern
werde.
Ein absolut entscheidender Faktor war
damals, dass wir in ein altes Abrisshaus zogen, unter dem eine Fünfhundert-Kilo-Bombe aus dem zweiten Weltkrieg lag.*¹
Es sollte
Parkplätzen weichen, doch da jede Art von Bürokratie ewig zu dauern
scheint, zogen wir ganz legal in die einzig bewohnbare Wohnung in
diesem Abrissaus.
Altbau. Erstes Obergeschoss links. Zwei
Zimmer, Küche, Duschbad, Balkon. Ich bekam das gute Zimmer. Das mit
den Zwillingsfenstern und den Rubinien vorm Fenster. Ich strich es
Blutrot, malte einen toten Baum an die Wand und kritzelte Songtexte
mal hier und mal da hin. Es gab Strom und Wasser. Ein Luxus, den wir
zu schätzen wussten.
Damals wussten wir so ziemlich alles zu
schätzen. Wir hatten nichts, außer uns selbst und einander. Kein
Internet, kein Fernsehen, keine Computer.
Klingt langweilig? Keine Spur!
Während der beiden Sommer, die auch
noch superheiß waren, waren wir das Highlight der Nachbarschaft,
weil wir fast immer sangen und man uns durch die offenen Fenster und
Balkontüren weit hinaus hören konnte. Meine besten künstlerischen
Werke, egal ob auf Papier, als Modell oder aus Stein, stammen aus
dieser Zeit. Meine intensivsten zwischenmenschlichen Erlebnisse
ebenfalls. Für die Freunde, die mich durch diese Zeit begleitet
haben, würde und werde ich den Rest meines Lebens bis ans Ende der
Welt gehen. Ich fand meine große
Liebe und den Weg zum Journalismus und nach Großbritannien....
Das ganze ist fast zehn Jahre her.... Und jetzt sitze ich hier, wieder ohne Internet
oder Telefon. Die Cassady
den San Fransico Bay Blues.
My favourite :D |
Ich habe allein schon in den vergangenen drei Wochen so viele tolle Menschen kennen
gelernt, neue Möglichkeiten eröffnen sich und die Krönung von
allem ist die Wohnung! Ich weiß, total oldschool, aber ich muss es sagen: Alter Schwede! Meine Mum und ihr Müller waren zwei Wochenenden hier, trotz
erheblicher Strapazen - an dieser Stelle nochmal gute Besserung! - und haben mit mir eine Wohlfühl-Oase
erschaffen! Und wenn dieser verdammt schöne Schnee endlich schmilzt
und der Frühling anbricht, – was er kalendarisch in drei Tagen tut
– werde ich mich in meinen Garten stürzen und meine Terrasse auf
Fordermann bringen. Der Strand ist nicht weit und ich freue mich auf
einen tollen Sommer*²!
Nun, das war ein wie immer etwas
ausschweifender Einblick in meine derzeitige Situation. Eva trällert
mittlerweile mein Lieblingslied, Autumn Leaves, das viel
besser klingt, wenn meine Mum und ich es bei 36 ° Grad im Schatten
singen und dabei Weinschorle in Wickelröcken schlürfen...
Genau das werde ich jetzt auch tun, nachdem
ich den Text gespeichert und den Rechner runtergefahren habe. Für
den Wickelrock ist es zwar zu kalt, aber ein flauschiger Bademantel
und ein gutes Buch sind genauso angenehm.
Das Buch ist übrigens von einer lieben
Kollegin und wenn ich es zeitlich schaffe, erzähle ich euch beim
nächsten Mal davon. Bis dahin... schaltet doch vielleicht einfach
mal das Smartphone aus und kostet ein bisschen mehr Platz im Kopf. Da
ist ein Leben außerhalb des World Wide Web. Und es hat so viel mehr
zu bieten, als nur die ultimative Grafik.
xx
*²: Kommentare
über einen wahrscheinlich schlechten Sommer will ich nicht lesen!